Glasplattenfotografie

Die Geschichte dahinter

Die Fotografie spielt in Andreas Izquierdos Roman „Schatten der Welt“ eine zentrale Rolle. Als Herr Lemmle sein Atelier in Thorn eröffnet, entdeckt Carl seine Passion: „Wie herrlich musste es sein, alles zu fotografieren und für die Nachwelt festzuhalten! Momente des Leids, der Freude, der Wut, der Schönheit oder des Umbruchs zu konservieren, um sie den folgenden Generationen noch zeigen zu können: Eine Fotografie bedeutete, das Leben zu sehen, wie es war. Und je länger ich mich meinen wilden Fantasien hingab, desto größer wurde in mir der Wunsch, alles zu sehen und festzuhalten. Ich wollte das Auge der Welt sein!“ (Seite 60)

Fotografie ist aber nicht nur Kunst, sondern auch Handwerk. Neben der Auswahl des Motivs und der Lichtverhältnisse galt es in der damaligen Zeit vor allem zu beachten, dass die unterschiedlichen Fotografieverfahren i. d. R. auch chemische Entwicklungsprozesse mit sich brachten. Dies fing bei der Beschichtung bzw. Behandlung der Fotoplatten an und endete beim Fixieren des Bildes auf der Platte. Dazu kamen weitere Faktoren, die auch in der heutigen Zeit eine gewichtige Rolle spielen: Belichtungszeiten, Verschlüsse, Objektive usw.

Im 19. Jahrhundert nahm die Entwicklung der Fotografie ihren Lauf. Zu den relevantesten Fotografieverfahren gehörten die Heliografie, die Daguerreotypie, die Kalotypie, die Ferrotypie, die Ambrotypie oder auch die Kollodium-Nassplatte. Der grundlegende Unterschied all dieser Verfahren ist – neben der jeweiligen Belichtungszeit – die Wahl der Fotoplatte. Bei der Fotoplatte handelt es sich um eine mit Fotoemulsion zu beschichtenden Platte aus Metall oder Glas.

Während die Daguerreotypie, das erste kommerzielle nutzbare Fotografie-Verfahren, eine Platte aus Metall erforderte, die möglichst glatt poliert sein musste, bevor sie mit Dämpfen behandelt wurde, um ihre Oberfläche lichtempfindlich zu machen (das spätere Bild wurde wiederum mit Quecksilberdampf sichtbar gemacht), wird Carl Friedländers Ausbildung bei Herrn Lemmle von einer Balgenkamera und Glasplatten begleitet.

Verschiedene Techniken

Die Entwicklung der Glasplatten-Fotografie lässt sich dabei grob in zwei Phasen unterteilen. Zunächst, ab 1850, gab es ausschließlich die Nassplatten-Fotografie. Hierfür galt es zunächst, die Glasplatte zu reinigen, bevor flüssiges Kollodium in einer gleichmäßigen und vollständig deckenden Schicht aufgetragen wurde. Anschließend kam die Platte in ein Silberbad, wo die Salze im Kollodium mit dem Silbernitrat reagierten. Auf diese Weise entstand eine lichtempfindliche Schicht. Nachdem der Bildträger in die Kamera gegeben und das Foto gemacht worden ist, musste es – noch im nassen Zustand – entwickelt, fixiert und versiegelt werden.

Da diese Schritte zwangsläufig schnell aufeinander folgen mussten (um beispielsweise ein Austrocknen der Nassplatte zu vermeiden), war dieses Verfahren außerhalb des eigenen Ateliers nur sehr aufwändig umsetzbar. Im Grunde war ein mobiles Fotolabor mitsamt einer Dunkelkammer vonnöten. Später, ab circa 1860, wurde zusätzlich ein fotografisches Verfahren entwickelt, das mit Trockenplatten arbeitete und in der Folge mehrfach weiterentwickelt wurde. Die Glasplatten kamen mit einer Haftschicht aus Gelatine oder Kautschuk daher, auf die eine Kollodiumemulsion aufgebracht wurde.

Während der gesamte Fotografie-Prozess bei der Nassplatte binnen zehn Minuten vonstatten gehen musste, betrug die Haltbarkeit von Trockenplatten bis zu sechs Monate. Außerdem waren sie deutlich lichtempfindlicher, was kürzere Belichtungszeiten und somit echte Momentaufnahmen erlaubte. So oder so: Der Vorteil der Plattenfotografie lag vor allem darin, dass die Bilder gestochen scharf waren, wenn man keinen Fehler machte. Und die Glasplattennegative erlaubten bereits mehrfache Kontaktabzüge.

Heute erlebt diese Art der Fotografie eine Renaissance. Wie aufwändig das Handwerk ist, wird anhand dieses anschaulichen Videos zur Nassplatten-Fotografie von Daniel Samanns deutlich (gefilmt von Frank Senftleben):